Bundesarbeitsgericht: Urteil zu Kündigungsschutz in Kleinbetrieben

Leiharbeitnehmer zählen mit

Das Kündigungsschutzgesetz gilt künftig in mehr Kleinbetrieben als bisher. Denn nach einem aktuellen Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 24.01.2013 bestimmen auch längerfristig eingesetzte Leiharbeitnehmer die Personalstärke eines Unternehmens.

Nach der Regelung des Kündigungsschutzgesetz kann der Arbeitgeber im Betrieben mit bis zu 10 Arbeitnehmern kündigen, ohne dass er dafür einen Verhaltens- betriebs- oder personenbedingten Grund benötigt. Werden 10,25 Arbeitnehmer beschäftigt, greift das Kündigungsschutzgesetz ab einer Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers von mehr als 6 Monaten.

Der Arbeitgeber muss im Fall dr Nichtanbwendbarkeit des Kündigungsschutzprozesses lediglich die Kündigungsfrist sowie den besonderen Sonderkündigungsschutz wie z. B. Schwerbehinderung, Mutterschutz oder Elternzeit beachten. Leiharbeitnehmer wurden bisher bei der Berechnung des Schwellenwerts- mehr als 10 Arbeitnehmer – nicht mitgerechnet.

Die Herausnahme der Kleinbetriebe aus dem Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes soll der dort häufig engen persönlichen Zusammenarbeit, ihrer zumeist geringen Finanzausstattung und dem Umstand Rechnung tragen, dass der Verwaltungsaufwand, den ein Kündigungsschutzprozess mit sich bringt, die Inhaber kleiner Betriebe typischerweise stärker belastet.

Aufgrund des aktuellen Urteils des Bundesarbeitsgerichts ist zunächst davon auszugehen, dass es in Zukunft nicht mehr nur auf “ eigenen“ Festangestellten Arbeitnehmer ankommt, sondern auch auf längerfristig eingesetzte Leiharbeitnehmer.

Gewehrt hatte sich vor dem Bundesarbeitsgericht ein Mitarbeiter eines Obsthändlers. Dieser Obsthändler beschäftigte genau 10 Mitarbeiter. Das Kündigungsschutzgesetz fand daher keine Anwendung, da nicht mehr als 10 Mitarbeiter beschäftigt worden sind. In dem Betrieb des Obsthändlers arbeitete zusätzlich jedoch eine Leiharbeitnehmerin, die dort schon längerfristig beschäftigt war. Das Bundesarbeitsgericht hat nunmehr diese Leiharbeitnehmerin überraschend in die Gesamtzahl der nach § 23 Abs. 1 Satz 3 Kündigungsschutzgesetz „beschäftigten Arbeitnehmer“ einbezogen. Danach komme es auf „die den Betrieb kennzeichnende regelmäßige Personalstärke“ an. Es darf daher, so das BAG, nicht zwischen eigenen Arbeitnehmern und Leiharbeitnehmern unterschieden werden. Das Urteil könnte weitreichende Konsequenzen haben, da viele Betriebe Leiharbeitnehmer beschäftigen. Inhaber von Kleinbetrieben müssen daher zukünftig genau zählen, wie viele Angestellte und längerfristig beschäftigte Leiharbeitnehmer sie im Betrieb einsetzen, bevor sie eine Kündigung aussprechen.

Der Wortlaut der Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichtes lautet wie folgt:

Kündigungsschutz: Leiharbeitnehmer und Größe des Betriebs

 

Nach § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG gilt das Kündigungsschutzgesetz für nach dem 31. Dezember 2003 eingestellte Arbeitnehmer nur in Betrieben, in denen in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt werden. Bei der Berechnung der Betriebsgröße sind auch im Betrieb beschäftigte Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen, wenn ihr Einsatz auf einem „in der Regel“ vorhandenen Personalbedarf beruht. Dies gebietet eine an Sinn und Zweck orientierte Auslegung der gesetzlichen Bestimmung.
Der Kläger war seit Juli 2007 bei der Beklagten beschäftigt. Diese beschäftigte einschließlich des Klägers zehn eigene Arbeitnehmer. Im November 2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien fristgerecht. Mit seiner Kündigungsschutzklage hat der Kläger geltend gemacht, bei der Anzahl der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer seien auch die von der Beklagten eingesetzten Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen, weil das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung finde. Die Revision des Klägers hatte vor dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Es ist nicht auszuschließen, dass im Betrieb der Beklagten mehr als zehn Arbeitnehmer iSd. § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG beschäftigt waren. Der Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern steht nicht schon entgegen, dass sie kein Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber begründet haben. Die Herausnahme der Kleinbetriebe aus dem Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes soll der dort häufig engen persönlichen Zusammenarbeit, ihrer zumeist geringen Finanzausstattung und dem Umstand Rechnung tragen, dass der Verwaltungsaufwand, den ein Kündigungsschutzprozess mit sich bringt, die Inhaber kleinerer Betriebe typischerweise stärker belastet. Dies rechtfertigt keine Unterscheidung danach, ob die den Betrieb kennzeichnende regelmäßige Personalstärke auf dem Einsatz eigener oder dem entliehener Arbeitnehmer beruht.
Der Senat hat die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Es steht noch nicht fest, ob die im Kündigungszeitpunkt im Betrieb tätigen Leiharbeitnehmer aufgrund eines regelmäßigen oder eines für den Betrieb „in der Regel“ nicht kennzeichnenden Geschäftsanfalls beschäftigt waren.
 

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. Januar 2013 – 2 AZR 140/12 –

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Nürnberg, Urteil vom 27. Juli 2011 – 4 Sa 713/10 – 

 

Sofern Sie Fragen zu dieser Thematik haben, können Sie sich gerne mit Rechtsanwalt Hubert Ratering – Fachanwalt für Arbeitsrecht – in Verbindung setzten.

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