Anzeige von Missständen ist kein Kündigungsgrund

Arbeitnehmer, die Missstände in ihrem Betrieb öffentlich anprangern, müssen künftig weniger Angst vor Konsequenzen haben. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschied nunmehr aktuell in einem wegweisenden Urteil zugunsten einer Altenpflegerin aus Berlin.

Die heute 49-jährige hatte als „Whistleblower“ jahrelang die schlechte Hygiene und die Personalknappheit in ihrer Einrichtung kritisiert und den Arbeitgeber schließlich wegen Betruges angezeigt. Daraufhin wurde sie 2005 durch den Arbeitgeber fristlos entlassen. Die Straßburger Richter sahen darin einen Verstoß gegen das Recht auf Meinungsfreiheit. Sie argumentieren u. a., die Öffentlichkeit habe ein großes Interesse daran, über Mängel in der Altenpflege bescheid zu wissen. Dieses sei wichtiger als das Interesse des Unternehmers bzw. des Unternehmens, seinem guten Ruf und dem geschäftlichen Erfolg. Mit dem Urteil nimmt der Druck auf die schwarz-gelbe Koalition zu, endlich eine Regelung zum Schutz von Whistleblowern zu erlassen.

Eine unmittelbare Wirkung wird das Urteil zunächst auf die deutschen Arbeitsgerichte haben, sie müssen die europäische Menschenrechtskonvention in der Lesart des Straßburger Gerichtshofes berücksichtigen. Zwar fordert auch das EGMR keinen absoluten Kündigungsschutz für die Hinweisgeber, immerhin seinen Arbeitnehmer auch zur Loyalität verpflichtet. Allerdings gibt er Kriterien vor, die den Schutz ausbauen. Der Whistleblower muss in guter Absicht handeln, die Information korrekt und von öffentlichem Interesse sein. Zudem darf er seinen Arbeitgeber im Normalfall nicht gleich bei der Presse anschwärzen; der erste Weg sollte immer zum Arbeitgeber führen, der zweite zur zuständigen Behörde. Hält er sich an diese Regeln, dann überwiegt in einer Demokratie das öffentliche Interesse an Informationen über solche Mängel.

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